Let's talk about recovery

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… recovery

Über ein Jahr hat es gedauert, bis mir selbst bewusst wurde, wie schlecht es mir geht und da hatte mein Körper schon lange angefangen, abzubauen, alle Erreger mitzunehmen, die nur irgendwie an mir vorbei huschten und mich mit Schmerzen und Fieber zu bombardieren. Ich war krank, vor allem körperlich. An manchen Tagen konnte ich nicht aufstehen, weil ich Schmerzen im ganzen Körper hatte. Ich rannte von Arzt zu Arzt – Fibromyalgie, Rheuma, Athrose – ich hatte alles und bei näherer Betrachtung hatte ich es dann doch nicht. Dazu kamen Hautausschläge – Schuppenflechte, Neurodermitis lagen in der Luft – und auch das war nichts. Gesund, aber irgendwie auch nicht. Dazu kamen Grippen, Bronchitis, Fieber – man konnte die Zeit nach meinen Krankheiten stellen. Und irgendwann sagte dann auch mein Kopf, dass er sich ausgebrannt fühlt. Wovon denn, fragte ich, denn ich war ja ständig krank und zu Hause? Ja, wovon denn.

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Vielleicht von dem ständigen ‚mit den Füßen getreten werden‘ meiner Chefin, vielleicht von so manch einer Kollegin, die nicht so sehr damit klar kam, dass man in seinen jungen Jahren schon eine Meinung vertritt, die vielleicht nicht ganz der eignen entsprach. Was genau es war, kann ich heute nicht mehr sagen, aber wahrscheinlich war es alles zusammen. Der Druck von außen, dass man doch diesen Beruf gelernt hatte und ihn doch jetzt auch gefälligst ausüben solle, der eigene Druck, es anderen Recht zu machen – mach sie bloß alle immer glücklich.

Im September 2018 fasste ich dann den Entschluss, dass ich nicht so weitermachen konnte, wie bisher. Ich war ausgebrannt, leer, wusste aber nicht ganz genau, wie es weitergehen sollte. Zuerst war die Überlegung, dass ich in die andere Ecke Deutschlands ziehe, so weit weg wie möglich, aber schon bald spürte ich, dass der Break nicht groß genug war und so sprach ich die Worte am dritten Oktober 2018 zum ersten Mal laut aus, während ich mit einer Freundin spazieren war: „Ich möchte nächstes Jahr als Au Pair in die Vereinigten Staaten!“ – danach ging alles relativ schnell, wie ihr hier nachlesen könnt.

Let’s talk about … living abroad

“ Vor 8 Wochen habe ich meine Familie das letzte Mal in den Arm genommen, meine besten Freunde vor 10 Wochen. Dann bin ich in ein Flugzeug gestiegen, mit fremden Mädels und dem gleichen Ziel: New York City“

Warum ich das gerade nochmal erzähle? Weil es der Start für mich selbst war, mich zu heilen. Ein besseres Leben zu führen oder es jedenfalls zu versuchen. Das mag jeder auf seine Art machen, ich brauchte dafür definitiv einen Neustart. Ich musste weg aus meinem Umfeld, musste weg von der Familie und Freunden, die mich alle nur so kennen, wie ich einmal war. Ich bin hier um mich selbst zu finden oder jedenfalls das zu finden, was ich noch nicht entdeckt habe und um zu schauen, wer ich am liebsten sein möchte.

Das wichtigste war für mich zu Anfang, zur Ruhe zu kommen. Innerlich, äußerlich. Ich habe viel für mich unternommen, auch wenn das nur zur Hälfte freiwillig war, weil ich ja zu Anfang noch nicht so viele Menschen hier kannte. Aber es tat auch meiner Seele einfach gut, dass ich für mich war, mich selbst spüren konnte, selbst schauen konnte, ob ich lieber ausgehen oder lieber schlafen möchte, ob Netflix für den Abend besser geeignet war, als die Straßen von Seattle. Dazu kam auch der große Jetlag, der mir allerdings ermöglicht hat, so viel zu schlafen, wie ich es brauchte, denn in Deutschland hatte ich lange nicht mehr gut schlafen können.

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Dann habe ich angefangen, aus meiner Komfort Zone herauszugehen. Das hat ein bisschen gedauert, doch am Ende habe ich es durch eine Freundin hier geschafft und tue es seitdem jeden Tag. Es begann damit, ein Skateboard zu kaufen und tatsächlich darauf zu fahren und zwar nicht, einen Meter und dann nie wieder drauf zu steigen. Wir wollten es lernen. Am meisten Angst hatte ich davor, zu fallen – Vergangenheitsform, weil ich gefallen bin und das nicht zu knapp. Mein Knie ist vier Tage später immer noch dick, aber ich bin einen Schritt weiter und habe mich meiner Angst gestellt (wenn auch eher unfreiwillig) – und kann es kaum erwarten, endlich wieder fahren zu können. Ich versuche mich nun jede Woche neu herauszufordern. Jede Woche ein Schritt weiter, damit ich am Ende des Jahres sagen kann, dass ich mich weiter entwickelt habe. Zu jemanden, auf den ich selbst stolz sein kann. Nun habe ich mir außerdem vorgenommen, mir für jede Woche ein Ziel zu setzen, vor dem ich irgendwie ein bisschen zurückschrecke normalerweise. Zu den größeren Zielen gehören auf jedenfall Paragliding, ein Bungee-Sprung und zu einem Konzert ganz alleine gehen! Recovery – den Mut finden, Dinge wieder alleine zu machen, die Stärke zu besitzen, für mich alleine zu kämpfen, das Gefühl von Selbstliebe und Selbstwertgefühl wieder zu gelangen.

Freundschaften – auch ein Punkt, der mir hier sehr geholfen hat. Damit will ich nicht sagen, dass ich in Deutschland keine Freunde habe, aber zu Anfang hatte ich hier keine. Aber mit der Zeit wurden es immer mehr Mädels und ich bin dankbar für jede einzelne von ihnen. Vor allem bin ich jedoch dankbar, dass sie nicht die traurige Lea kennen – die, die ich noch vor ein paar Monaten war, sondern eine andere Seite von mir zuerst kennen gelernt haben. Vielleicht war ich zu Anfang hier noch ein bisschen schüchtern, aber auch das legt sich mittlerweile spürbar bei mir. Risiken eingehen – auch mit Menschen, denn man kann nicht gewinnen, wenn man es nicht einmal probiert.

Recovery funktioniert für jeden anders und das ist auch gut so. Egal ob alleine oder in Gesellschaft anderer, tut nur das was euch glücklich macht! Euer Leben und eure Gesundheit (körperlich und seelisch) sind mehr Wert, als der Job, den ihr nicht mehr ausüben wollt, als die Freundschaft, die nur noch einseitig ist oder die Liebe, die einfach nicht mehr so richtig erscheint. Ihr seit wichtiger. Ihr solltet für euch an erster Stelle stehen. Damit meine ich nicht, dass wir alle wie egoistische Arschlöcher durch die Welt laufen sollen, aber wir sollten auf uns selbst achten, bevor wir eine Entscheidung treffen – ob wir uns gut damit fühlen, ob es uns damit gut gehen wird. Denn was bringt uns eine Entscheidung, die uns auf lange Sicht unglücklich macht? Schmerz. Etwas, dass wir definitiv vermeiden können, einfach nur, weil wir uns um uns selbst kümmern. Fangt an, euch um euch selbst zu kümmern, euch zu erholen, von all dem, was euch die letzten Monate oder auch Jahre runter gezogen hat. Fangt an zu recovern.

Photo by Allie Smith on Unsplash
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liebt Kaffee, Cherry Coke und Cheez-It! Ich lebe momentan in der USA und arbeite hier, wodurch es von mir in Zukunft auch mehr Dinge zu Seattle und den United States im allgemeinen geben wird. Ich liebe Themen zum Thema Lifestyle, Reisen und Bücher ♥

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